Machina Technologica, 2002 / 2003
Site: Robert Bosch GmbH, headquarter in Berlin, Germany


Ausgangssituation und Aufgabenstellung
Aufgabenstellung des Auslobers (Auszug):
"Die Gutachteraufgabe besteht in der Erarbeitung von Entwurfsvorschlägen für die künstlerische Ausgestaltung des Flures zwischen der Tiefgarage Gebäude Be 108 und der Garderobe im Gebäude Verkaufshaus Be 101 im UG."

Das Verkaufshaus wurde im Jahre 1917 erbaut und steht unter Einzeldenkmalschutz. In den Jahren 1999 bis 2001 wurde das Gebäude aufwendig renoviert. Der Abschluss ist für das I.Quartal 2002 vorgesehen.

Das Verkaufshaus ist die Repräsentanz der Firma Bosch in Berlin. Es werden Empfänge, Veranstaltungen und Produktinformationen auf der Geschäftsführerebene ausgerichtet. Ein Großteil der Besucher kommt über die Tiefgarage im Nachbargebäude in das Verkaufshaus. Der Flur führt an den Technikräumen vorbei zu den Garderoben. Die Besucher werden über die Garderobe in das Erdgeschoss geführt und geleitet...

Das Foyer im Erdgeschoss ist der Hauptanlaufpunkt für alle Besucher, Kommunikationspunkt, Ausstellungsbereich und Vorzone für einen großen Vortragsraum. Temporäre Ausstellungen finden hier ebenso statt wie Empfänge mit bis zu 200 Personen.

Der Gutachterbereich beginnt bereits vor der Zugangstüre in der Tiefgarage und endet zeichenhaft im Garderobenbereich des Verkaufshauses.

Für den Bereich des Flures soll eine Atmosphäre geschaffen werden, die bei den Besuchern einen positiven, nachhaltigen Eindruck hinterläßt. Erwartet wird eine künstlerische Ausgestaltung mit einer unverwechselbaren Aussage.

Der Flur hat bauliche und gesetzliche Vorschriften die einzuhalten sind. Bei der Gestaltung ist zu berücksichtigen:
  • die lichte Höhe des Ganges mit 2,20 m, welche baulich realisiert ist
  • die brandschutzrechtliche Auflage in F 30 (Feuerwiederstand 30 Minuten) für die abgehängte Decke
  • die Zugänglichkeit zu den oberhalb installierten Meldesystemen
  • die Fluchtwegbeschilderung
  • die Brandmelderinstalltion
  • die Haustechnikinstalltionen, die den Zwischenraum der abgehängten Decke vollständig belegt hat
  • die Gewährleistung der Zugänglichkeit zu Lager und Technikräumen
  • die Abschlusstüren des Ganges mit Glasrahmentüren, die in F 30 Ausführung ausgeführt sind...?


2. Künstlerische Konzeption
Der Ort
Ein Flur ist ein Ort des Durchgangs, aber auch des kurzen Wartens auf nachfolgende Personen. Er markiert eine Zone des Übergangs. Doch dieser Flur ist verwinkelt und liegt unter der Erde, bar jeden Tageslichts. Gleichwohl ist er der meist benutzte Zugang zur Berliner Repräsentanz der Robert Bosch GmbH, der nach einer angemessenen Akzentuierung und einer optischen Wegleitung verlangt.

Dieser Herausforderung will ich mit einer aus drei rotierenden Projektoren bestehenden Lichtbrücke gerecht werden. Deren Elemente verzahnen - einem Getriebe gleich - die verwinkelten Flurstücke. Dabei wird der Weg nach innen bzw. außen durch eine abnehmende, respektive zunehmende Dynamik bestimmt. Die Installation heißt "Machina Technologica", und verbindet schlüssig die drei Flurbereiche nebst der sich anschließenden Raumbereiche (Tiefgarage und Garderobe).

Das Projekt
Raum, Zeit und Projektion
Der Betrachter, der sich von der Tiefgarage kommend dem Zugang des Gebäudes B101 im Untergeschoß nähert, wird plötzlich auf dem Boden der Tiefgarage nicht klar zu deutende Lichtlinien vorbeiziehen sehen. Betritt er dann den im Plan als "Schleuse" ausgewiesenen Raumbereich, sieht er die dazu gehörende Lichtquelle: Einen von drei Projektoren, der mit ca. zwei Umdrehungen pro Minute unter der Flurdecke um sich selbst kreist. Geht der Besucher dann, angelockt von einer weiteren Projektion, ein wenig weiter, entdeckt er wieder einen um sich kreisenden Projektor, der sich gut doppelt so langsam dreht; im Flurbereich vor der Garderobe schließlich befindet sich der dritte und letzte rotierende Projektor, der sich wiederum mit rund der halben Geschwindigkeit des vorangegangenen Projektors, also mit einer halben Umdrehungen pro Minute bewegt. Die Projektoren sind so plaziert, daß die geworfenen Bilder immer sowohl im zurückliegenden Flurstück, wie auch in dem Raumbereich zu sehen sind, der als nächstes betreten wird.

Der kürzeste Projektionsabstand beträgt jeweils nur wenige Zentimeter zur Wand, also gerade genug, damit sich der Projektor vor der Wand drehen kann. An der Wand, die dem Projektor gegenüber liegt, erscheint die Projektion scharf und unverzerrt, um sich dann schnell wieder stark perspektivisch zu verändern und zusammenzuziehen, bis nur noch ein Lichtfleck sichtbar ist. Durch die verschiedenen Abstände, die die kreisenden Diaskope zur Wand einnehmen, erscheinen die Bilder mal schnell, mal langsam bewegt. Je nach Standpunkt des Betrachters wird die Drehgeschwindigkeit unterschiedlich wahrgenommen: Steht der Besucher direkt unter dem Projektor erlebt er die Projektion als gleichmäßig bewegt und nur wenig verzerrt; geht er von diesem Punkt weg, verzerrt sich das Bild für ihn zunehmend und die Bilder erlebt er als von unterschiedlicher Dynamik bestimmt, obwohl objektiv die Drehgeschwindigkeit konstant ist. Die Projektionen überlagern sich an jenen Stellen, wo die Flurbereiche einander durchdringen, um sich gleich wieder zu trennen. Sie berühren alle Begrenzungen des Raums und die darin befindlichen Menschen, sie erscheinen hier scharf und unverzerrt, dort ziehen sie sich zum Lichtpunkt zusammen.

Ich glaube, daß es bei künstlerischen Interventionen in Unternehmen, in diesem Fall der Firma Bosch, konzeptionell sinnvoll ist, vor Ort arbeitende Menschen in den Prozess mit einzubeziehen. So kommt der Bildwechsel bei der Machina Technologica durch die aktive Teilnahme bei Bosch arbeitender Menschen zustande. Darin unterscheidet sich die Machina Technologica von meinen bisher realisierten Maschinerien, die ausnahmslos mit automatischen Diamagazinen betrieben wurden.

Zufall, Spiel und Bilder
Um das Prinzip Zufall zu erhalten, das mir bei den Maschinerien wichtig ist habe ich das Aleatorische mit dem Spielerischen verbunden: 18 Motive habe ich für die Arbeit ausgesucht. Diese habe ich in drei Sechsergruppen den drei Projektoren zugeordnet. Jedem Projektor habe ich einen unterschiedlich gefärbten Würfel zugeordnet, wie er für Brettspiele gebräuchlich ist. Die Dias habe ich entsprechend der sechs Seiten der Würfel von eins bis sechs nummeriert. Dies ist derart geschehen, daß auch die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Projektor erkennbar ist. Dadurch sind jedem Dia sowohl ein bestimmter Würfel, wie auch ein darauf befindliches Feld zugeordnet. Wenn als dann die Würfel gefallen sind, entsteht eine Kombination, aus der eindeutig hervorgeht, welches Dia in welchen Projektor gesteckt werden muß. Der Rhythmus für den Wechsel sollte täglich, ggf. auch wöchentlich sein.

Ausgewürfelt wird das Jahresprogramm vom Vorstand oder, im Falle von Verhinderung, durch eigens dafür bestellte Personen. So ist für das laufende Jahr ein Plan entstanden aus dem genau hervorgeht, an welchem Tag welche Kombination von Dias in die Machina Technologica eingespeist werden muß. Diese Liste wurde den Hausmeistern übergeben, die seitdem auch die Aufgabe haben, diesen Plan umzusetzen.

Die Machina Technologica steht im Kontext meines künstlerischen Interesses an Fragen nach Bild und Bildlichkeit im Horizont kultureller Identität. Projiziert werden ausgewählte Ikonen der Technikgeschichte, die den neuzeitlichen Prozess von der Mechanisierung zur Maschinisierung beschreiben. Bei den ausgewählten Bildern handelt es sich durchweg um druckgrafische oder zeichnerische Darstellungen von Maschinen, Maschinenteilen und Funktionsschemata. Hier dominiert die Linie als Ausdrucksmittel. Das verwendete Material stammt aus Industriemuseen, Firmen- und anderen Archiven, sowie Büchern (wie der Enzyklopädie von Diderot aus den Jahren 1762 - 1777).

Diese Bilder werden in der Projektion zu Erinnerungsfragmenten unserer Zivilisation und dem mit ihr verbundenen kulturellen Gedächtnis. Als bewegte Projektion werden sie zu autonomen Zeichen. Insofern steht die "Machina Technologica" für einen komplexen, kreativen Prozess, der unserer Zivilisation mit allen Chancen und Risiken erst möglich machte.